Austrian Press Coverage of the Vienna Conference – Part 2

In Part 2 of this series, Wolfgang Popp was attracted by new forms, those of flash fiction, micro fiction, and twiction, and interviews Richard Lee of the State University of New York, and American writer Marjorie Kanter from Spain.

Kurz- und Kürzesttexte
Wie kurz kann Literatur sein? Die gestern am Wiener Juridicum eröffnete Konferenz zur Kurzgeschichte bringt Schriftsteller und Akademiker aus der ganzen Welt zusammen und informiert über die jüngsten literarischen Entwicklungen, wie sie international stattfinden. Und sie liefert überraschende Erkenntnisse. So hat es den Trend zu Kurz- und Kürzesttexten schon lange vor Twitter, Facebook und SMS gegeben.

Morgenjournal, 17.7.2014
Wolfgang Popp – http://oe1.orf.at/artikel/381476

Flash-Fiction, Sudden Fiction oder Twiction. Anders als das Deutsche hat das Englische Fachbegriffe geschaffen, um die verschiedenen Formen der Kurz- und Kürzestgeschichten zu unterscheiden. Diese Lust an der Kürze hat dabei nicht nur mit der Schnelllebigkeit unseres Informationszeitalter zu tun, so Richard Lee von der State University of New York:

“Natürlich bedienen sich Schriftsteller auch solcher Formen, weil diese sich dem Zeitgeist entsprechend rasch konsumieren lassen. Aber diese Kompaktheit hat auch eine besondere Qualität und Tradition. Schon im 19. Jahrhundert hat Edgar Allen Poe davon gesprochen, dass sich die perfekte Kurzgeschichte schnell lesen lassen sollte. Bei ihm war zwar noch nicht die Rede von einer Minute, aber er hat gemeint, dass man sie in einem Zug lesen können sollte.”

Flash-Fiction, also Erzählungen, die auf einer Doppelseite Platz haben, hat es schon bei Franz Kafka gegeben und hierzulande, meint Richard Lee mit einem Blick auf Österreich, hat ja Thomas Bernhard in seinem Erzählband “Der Stimmenimitator” mit der Kurzform gespielt.

In den USA. gilt die Schriftstellerin Lydia Davis als die Meisterin der kurzen Form. Letztes Jahr wurde ihr der hoch renommierte und mit 50.000 Pfund auch hoch dotierte Man Booker International Prize zuerkannt. Ihre Prosa besitze die Kürze und Genauigkeit von Lyrik, meinte die Jury damals in ihrem Statement. Richard Lee: “Davies treibt die skurrilsten Experimente. So schreibt sie fiktive Beschwerdebriefe an Unternehmen und erzählt in diesen eine Geschichte. Oder ihre unglaublich präzise gearbeiteten Kürzesterzählungen, die nur aus neun, zwölf oder 46 Wörtern bestehen: Da gibt es etwa die ‘Umkehrbare Geschichte’, bei der sich der Plot in sein Gegenteil dreht. Und ihre ‘Zirkelgeschichte’ hat sie so gebaut, dass sie sich auch von hinten nach vorn lesen lässt.”

Schon lange haben sich Schriftsteller also ganz bewusst zur Kürze gezwungen. Twitter hat es nur geschafft, dieser experimentellen Form eine ungeahnte Breitenwirkung zu verschaffen. Twictions zu schreiben, also Geschichten, die nicht länger als 140 Zeichen lang sein dürfen, führe deshalb auch nicht, wie manche Kulturpessimisten meinen, zu einer Verkümmerung der Sprache, sondern heize die Kreativität so richtig an. Die Schriftstellerin Marjorie Kanter: “Ich quetsche mehrere Wörter zu einem Wort zusammen, nehme Satzzeichen weg oder entferne Buchstaben. Wichtig ist mir aber dabei, dass der Text trotzdem verständlich bleibt.”

Lustvoll wird da mit Assoziationen und Mehrdeutigkeiten gespielt und dementsprechend anspruchsvoll ist dann auch das Entschlüsseln solcher Texte. Dem Leser wird also einiges abverlangt, so Richard Lee: “Umso kürzer die Form, umso scharfsinniger muss der Leser sein, weil der Text erst in seinem Kopf entsteht.”

Das Internet hilft jetzt, diese Textsorten zu popularisieren und zu verbreiten. Aber diese Geschichten finden auch den Weg zurück auf die gute alte gedruckte Seite. In der Anthologie Six Word Memoirs erzählen renommierte Schriftsteller ihre Lebensgeschichte in sechs Wörtern und die Zeitschrift Smoke Long Quarterly druckt ausschließlich Texte, die sich in einer Zigarettenlänge konsumieren lassen.

More interviews in Part 3